Der Spanische Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo) ist in seinem Urteil vom 6. Oktober 2016 letzten Jahres in einem Fall des Antrags auf Anerkennung und Vollstreckungbarerklärung einer schweizerischen Gerichtsentscheidung, in der das Gericht Erster Instanz (Juzgado de Primera Instancia) unzutreffende Rechtsvorschriften angewandt hatte, der Rechtsauffassung, aufgrund der Tatsache, dass das Ergebnis auch bei Anwendung der zutreffenden Rechtsvorschriften das selbe gewesen wäre wie bei der erstinstanzlichen Entscheidung und keine Grundrechte des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz verletzt wurden, entbehre die Entscheidung praktischer Bedeutung. Zudem analysiert er das Regime der Zustellungsvorschriften der ausländischen Entscheidung als Grund für die Verweigerung der Zwangsvollstreckung.
Der vorliegende Fall betrifft die gerichtliche Anerkennung oder Exequatur eines vor dem Landesgericht Zürich (Schweiz) ergangenen Urteils und den dazugehörigen Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung gegen einen in Spanien wohnhaften Bürger.
Das spanische Gericht Erster Instanz (Juzgado de Primera Instancia) fasste auf Grundlage der Bestimmungen des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen von Lugano vom 16. Dezember 1988 einen Beschluss, mit dem die ausländische Entscheidung für vollstreckbar erklärt wurde. Das Gericht ging davon aus, die Voraussetzungen der Artikel 26 und 27 des vorgenannten Übereinkommens zur Anerkennung der Entscheidung lägen vor, da sie bei Säumnis des Beklagten lediglich verlangten, dass er ordnungsgemäß gerichtlich geladen werde und er über ausreichende Zeit verfüge, sich zu verteidigen. Im vorliegenden Fall war die Voraussetzung der Ladung aufgrund der Tatsache erfolgt, dass der Beklagte in dem Gerichtsverfahren sogar die Klageschrift erwiderte.
Der Beklagte legte dagegen Beschwerde (recurso de apelación) ein, die vom Landgericht (Audiencia Provincial) zurückgewiesen wurde.
Betreffend die Wirksamkeit der Ladung und der Urteilszustellung ist das Züricher Kantonalgesetz über die Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976 (ZPO) die maßgebliche Rechtsvorschrift. Die Zustellung gerichtlicher Ladungen, Verfügungen und Urteile ist in §30 wie folgt geregelt: Einer Partei, an die Zustellungen im Inland nicht möglich sind, kann aufgegeben werden, einen Zustellungsbevollmächtigten in der Schweiz zu bestellen. Bei Nichtbeachtung der gerichtlichen Anordnung können die Zustellungen mittels öffentlicher Bekanntgabe erfolgen oder mit denselben Rechtswirkungen gänzlich unterbleiben.
Dem Beklagte wurde aufgegeben, einen Zustellungsbevollmächtigten in der Schweiz zu bestellen. Der Beklagte bestellte seinen Rechtsanwalt hierzu und erwiderte auf die Klageschrift. Nachdem er an der Gerichtsverhandlung unter Begleitung seines Rechtsanwalts teilnahm, kündigte der Beklagte dessen Mandat. Der Beklagte hätte einen neuen Zustellungsbevollmächtigten bestellen müssen, unterließ dies aber in Kenntnis dessen, dass das Gerichtsverfahren fortgeführt wurde.
Der Beschwerdeführer legte Rechtsbeschwerde (recurso de casación) ein und begründete diese mit der Geltung und teilweisen Anwendbarkeit des Übereinkommens zwischen Spanien und der Schweiz über die Zwangsvollstreckung von Gerichtsentscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 19. November 1896 und folglich in diesen Regelungsbereichen nicht durch des Lugano-Übereinkommen von 1988 aufgehobenen Übereinkommens.
Der Oberste Gerichtshof teilt die Auslegung des Beschwerdeführers bezüglich der anwendbaren Rechtsvorschrift, welche aber im vorliegenden Fall aus dem folgenden Grund nicht entscheidungserheblichen sei:
Die Zustellung einer Gerichtsentscheidung erwächst zu einer durch den ordre public des Forumsstaats eingeforderten Rechtspflicht, deren Beachtung für die Anerkennung der Geltung des Urteils erforderlich ist. Aufgrund dessen führt ihre Nichtbeachtung zur Versagung der Vollstreckbarkeitserklärung.
Gleichwohl findet sie Anwendung auf jene Fälle der einseitigen Säumnis des Beklagten, jedoch kann sie, in gewisser Weise wie auch in der vorliegenden Fallkonstellation, jene Fälle der Säumnis des Beklagten rechtfertigen, welche zusätzlich zu seiner Säumnis durch verfahrensrechtliche Arglist gekennzeichnet sind.
Im vorliegenden Fall wurde diese Haltung prozessualen Verfahrensmissbrauchs des Beklagten nachgewiesen: er hatte nicht nur Kenntnis von jenem Gerichtsverfahren, sondern war auch anwaltlich vertreten, erwiderte auf die Klage und brachte sich aus freien Stücken um seinen Rechtsbeistand. All dies unter an den Tag Legung eines verfahrensverschleppenden Verhalten, welches zur Beendigung seiner anwaltlichen Vertretung führte sowie dazu, dass er trotz Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen keinen anderen rechtlichen Vertreter als Zustellungsbevollmächtigten benannte.
Zweitens wäre die rechtliche Lösung des Falls in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung der ausländischen Entscheidung auch dann nicht anders ausgefallen, wenn man die formaljuristische Ebene der anwendbaren Rechtsnorm untersucht. Was dies betrifft, enthielt der Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung sämtliche Dokumente gemäß den Vorschriften des besagten spanisch-schweizerischen Übereinkommens (Artikel 2) und die schweizerischen Gerichtsentscheidung erging gegen eine ordnungsgemäß geladene und in dem Verfahren anwaltlich vertretene Partei (Artikel 6.2 des Übereinkommens). Die letztgenannte Voraussetzung stimmt materiell mit der die Verfahrensrechte schützenden Funktion des Artikel 27.2 des Lugano-Übereinkommens überein (derzeitiger Artikel 34 des Lugano-Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen), was in Fällen der Säumnis die rechtliche Notwendigkeit der ordnungsgemäßen und ausreichende Zeit zur rechtlichen Verteidigung berücksichtigenden Ladung betrifft. Das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale war im vorliegenden Fall vollumfänglich nachgewiesen.